
Sprich, bevor du schweigst
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Es beginnt nicht mit einem Verbot.
Es beginnt mit einem Blick.
Ein Stirnrunzeln in der Kantine, ein flüchtiger Kommentar im Kollegenkreis, ein Thema, das man besser nicht anschneidet. Nicht mehr. Nicht hier.
Was folgt, ist selten offen. Es ist das langsame Verstummen.
Der Rückzug aus Diskussionen, das Totschweigen eigener Gedanken, das sorgsame Formulieren, bis alles, was man sagen wollte, nicht mehr gesagt ist.
Man wird vorsichtig. Dann still. Dann konform.
Nicht, weil man es so will – sondern weil man gelernt hat, dass jede Abweichung einen Preis hat: sozial, beruflich, manchmal sogar juristisch.
Die Freiheit, alles zu sagen, existiert – aber nur in der Theorie.
Und so redet man über Wetter, Serien, Urlaubspläne.
Aber nicht über Migration. Nicht über Gender. Nicht über Sicherheit.
Nicht über Dinge, bei denen der Raum plötzlich kippen könnte.
Dabei weiß jeder, wie es sich anfühlt, zu schweigen, obwohl man etwas zu sagen hätte.
Und genau deshalb beginnt der Protest oft nicht mit einem Aufschrei –
sondern mit einem Satz.
Kurz. Unübersehbar.
An einer Ampel. Einer Tür. Einer Wand.
Weil man’s nicht mehr sagen kann – aber immer noch zeigen will.